Zu diesem Buch
Das vorliegende Jahrbuch widmet sich einem der großen Literaten Österreichs: Der "wunderbare Aloys Blumauer", wie ihn Benedikt Erenz anlässlich seines 200.
Todestages in der Zeit nannte, war einer der führenden Schriftsteller der josephinischen Aufklärung. Sein Hauptwerk, Virgils Aeneis travestirt, das in der
zweiten Hälfte des 18. Jh. nicht nur im deutschen Sprachraum für Furore sorgte und in viele europäische Sprachen übersetzt wurde, wurde zuletzt 2005
ediert. Obwohl im literarischen Betrieb der Gegenwart vielfach aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt, wird seine spitze Feder, die auch vor zeitgenössischen
Größen nicht kuschte, in Literaturgeschichten zur Parodie anerkennend gewürdigt.
Die vorliegenden Beiträge widmen sich Blumauers Werk nicht nur in germanistisch-literaturwissenschaftlicher Perspektive, sondern nehmen auch das politische,
wirtschaftliche und soziokulturelle Umfeld der Zeit in den Blick. Die von Joseph II. – in Fortführung der von seiner Mutter Maria-Theresia eingeleiteten Staatsreformen
– forcierte Etablierung gewinnorientierter Unternehmensformen führte auch zu tief greifenden Veränderungen im Buchhandels- und Verlagswesen, deren
Bedeutung für die deutschsprachigen Länder als bisher unterschätzt nachgewiesen wird. Blumauer selbst allerdings, dessen Arbeit als Antiquar
gerühmt wurde, konnte als Buchhändler unter den neuen Umständen nicht reüssieren. Trotz seiner weit reichenden geschäftlichen Kontakte –
der hier erstmals publizierte Briefwechsel mit dem ungarischen Kaufmann Andreas Sinkenthaler dokumentiert das – verlor er sein Geschäft und starb
überschuldet.
In das politisch-gesellschaftliche Leben war Aloys Blumauer sowohl durch seine Mitgliedschaft in führenden Freimaurerlogen (Zur wahren Eintracht, Zur Wahrheit) als
auch durch eine rege Herausgebertätigkeit (Wiener Musenalmanach, Wiener Realzeitung, Journal für Freymaurer) eingebunden. Überzeugter Anhänger
des Josephinismus, der sich mit scharfer Satire für die Reformen Joseph II. engagierte, beendete er sein literarisches Schaffen, als der Kaiser in seinen letzten
Regierungsjahren restaurativen Einflüssen nachgab. Den Ideen der Französischen Revolution gegenüber blieb er aber verschlossen – anders als viele
seiner Freunde, die unter Franz II. als Wiener Jakobiner grausam verfolgt wurden.
Das Jahrbuch schließt mit einer Vorstellung der für den Franz-Stephan-Preis eingereichten Arbeiten (er wurde Ines Peper zugesprochen) und einem
umfangreichen Rezensionenteil. Abstracts in englischer Sprache erschließen die Beiträge den nicht deutschsprachigen Lesern.
Die Beiträge
Schwerpunktthema: Aloys Blumauer und seine Zeit
Norbert Christian Wolf
Blumauers Autorpolitik
Werner Michler
Aloys Blumauer und Johann Baptist v. Alxinger. Zur Versepik des josephinischen Jahrzehnts
Wynfrid Kriegleder
Aloys Blumauers Travestirte Aeneis und die Theorie des komischen Epos
Gerhard Ammerer
Aloys Blumauers Gedicht "Das Lied von Belgrad. 1789" und Antikriegsliteratur im Wiener Musenalmanach
Ernst Seibert
J.B. Alxinger, A. Blumauer und Caroline Pichler als Repräsentanten eines spätjosephinischen Interesses an der zeitgenössischen Kinderliteratur
Johannes Frimmel
"Sein notenreicher Katalog ist besser als seine Äneide." Aloys Blumauer als Buchhändler und Antiquar
Ilona Pavercsik
"Ihre gütige Verwendung zum Besten meiner Muse": Blumauers Briefe an einen Kollekteur in Ungarn
Helmut Reinalter
Aloys Blumauer und die Wiener Jakobiner
Thomas Olechowski
Zur Zensur am Ende des 18. Jahrhunderts: Dichter als Zensoren
Franz M. Eybl
Informalität und Popularität: Kulturelle Markierungen des oberdeutschen Raums
Reinhart Siegert
Über Österreichs Aufklärung und Literatur. Zur "litterarischen Kleinheit" Österreichs und des "Reichsbuchhandels" zur Zeit Blumauers
Kurzfassungen der für den Franz-Stephan-Preis eingereichten Arbeiten
Ines Peper
Konversionen im Umkreis des Wiener Hofs um 1700
Michaela Baumgartner
Fulgura frango. Gewitterdichtung im 18. Jahrhundert
Gudrun Debriacher
Gereizte Seelen in erregten Körpern – Heinrich von Kleists Novelle Der Findling im Kontext des Brownianismus
Literaturberichte und Rezensionen
Ritchie Robertson
Neue literatur- und kulturgeschichtliche Publikationen zur österreichischen Aufklärung
Petr Mata
Jeroen Duindam: Vienna and Versailles. The Courts of Europe's Dynastic Rivals, 1550-1780. Cambridge: Cambridge University Press 2003
Renate Zedinger
Harm Klueting, Wolfgang Schmale (Hg.): Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinander. Münster: Lit
2004
Reinhard Stauber
T. C.W. Blanning: The culture of power and the power of culture. Old Regime Europe 1660-1789. Oxford: Oxford University Press 2002
Michael Wögerbauer
Ingeborg Jaklin: Das österreichische Schulbuch im 18. Jahrhundert aus dem Wiener Verlag Trattner und dem Schulbuchverlag. Wien: Praesens 2003
Katrin Keller
Sigrid Wadauer: Die Tour der Gesellen. Mobilität und Biographie im Handwerk vom 18 bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main – New York: Campus 2005
Martin Scheutz
Michael Hochedlinger/Anton Tantner (Hg): " ... der größte Teil der Untertanen lebt elend und mühselig". Die Berichte des Hofkriegsrates zur sozialen und
wirtschaftlichen Lage der Habsburgermonarchie 1770–1771. Innsbruck u. a.: Studienverlag 2005
Margret Friedrich
Ute Ströbele: Zwischen Kloster und Welt. Die Aufhebung südwestdeutscher Frauenklöster unter Kaiser Joseph II. Köln-Weimar-Wien: Böhlau 2005
Christoph Gnant
Christoph Ulmschneider: Eigentum und Naturrecht im Deutschland des beginnenden 19. Jahrhunderts. Berlin: Duncker & Humblot 2003
Abstracts
BeiträgerInnen
RezensentInnen