Zu diesem Buch
Eine Geige ist alles, was ihm vom Vater blieb: Günter Kahowez ist Kriegswaise, er kannte seinen Vater kaum. Dieser starb, als er drei Jahre alt war, und er wächst mit
dem Bewusstsein auf, dass sein Vater als Held in Russland gefallen sei.
Im Alter von 52 Jahren entdeckt Günter Kahowez das in Vergessenheit geratene Kriegstagebuch seines Vaters Bruno, das sein Bild von ihm zerstört: Der Vater
offenbart sich als fanatischer Nationalsozialist bis in den Tod.
Das vorliegende Buch zeichnet den Weg nach, der Günter Kahowez aus dem Schatten des Kriegers führte. Indem er die Welt des Krieges aus dem Tagbuch
des Vaters mit der Welt der Musik seines Berufes und der Welt der Psychologie in der Therapie verknüpfte, fand er die Gefühle und Erfahrungen des Vaters in seinem
eigenen Leben wieder. Er akzeptierte den Vater als Teil seiner eigenen Biographie und fand so zu seinem Leben zurück.
Grundlage dieses Buches sind die Tagebucheintragungen, die Bruno Kahowez in den Jahren 1941 bis 1943 an der Front schrieb. In den einzelnen Kapiteln wird den Taten des
Vaters das Erleben des Sohnes gegenüber gestellt und so aufgezeigt, dass es in beider Leben gemeinsame seelische Muster gab, die nach der Chronologie des
Russlandsfeldzuges abliefen.
Die Geschichte von Günter und Bruno Kahowez ist ein beredtes Beispiel dafür, wie Gefühle und Erfahrungen vom Vater auf den Sohn übertragen werden
können. Sie veranschaulicht die psychologische Theorie der Symptomübernahme, die Rüdiger Opelt in seinem Buch "Die Kinder des Tantalus" dargelegt
hat. Das persönliche Nachwort Günter Kahowez’ schildert eindrucksvoll den Schaden, den der Fanatismus des Vaters in der Seele des Sohnes angerichtet
hatte – und den dieser überwand.
Erst in den letzten Jahren hat die Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen, dass die oft schweigend übergangene Involviertheit von Eltern in Nationalsozialismus und
Zweiten Weltkrieg bei ihren Kindern zu – teils über Jahrzehnte verdeckten – seelischen Belastungen führte, die unterschwellig auf deren Lebenswege
wirkten. Der hier vorgestellte Therapieverlauf des international renommierten österreichischen Komponisten Günter Kahowez ist nicht nur ein Lichtblick für
Betroffene. Er bietet der Traumaforschung theoretische wie praktische Ansatzpunkte, bereichert die Totalitarismus- wie die Kriegsfolgenforschung und beleuchtet einen lange
vernachlässigten Aspekt der Gesellschaftsgeschichte der Nachkriegszeit.
Der Inhalt
Einleitung · 1. Aus Klimts Idylle in den Kreuzzug · 2. Die Glaubenskriege · 3. Die Vernichtung des Feindes · 4. Der Verlust der
Würde · 5. Das geplante Desaster · 6. Der frühe Erfolg · 7. Die fanatische Überzeugung · 8. Verbrannte Erde ·
9. Die Angst vor dem Untergang · 10. Krankheit · 11. Verluste · 12. Rückzug · 13. Der innere Gegner · 14. Heimweh
· 15. Abschied · 16. Komm, süßer Tod · 17. Das Phantom des Feindes: Nachwort von Günter Kahowez zum Kriegstagebuch
seines Vaters Hauptmann und Kompaniechef Bruno Kahowez gefallen am 10.10.1943 an der Ostfront · 18. Die Geister der Gefallenen