Zu diesem Buch
In Anlehnung an A. Gemzell untersucht Thomas Scheerer die kaiserliche Marine als Großorganisation im sozialtheoretischen Bezugsrahmen "Organisation, Konflikt
und Innovation". Mit dieser konflikttheoretischen Perspektive, mit der der Quellenbestand erschlossen wurde, soll die sozialgeschichtlich relevante Frage beantwortet werden, wie
die Kaiserliche Marine auf zunehmende Technisierung und Industrialisierung sowie den forcierten Ausbau in relativ kurzer Zeit zu einer modernen Schlachtflotte reagierte.
Im ersten Abschnitt beleuchtet Scheerer die strukturellen Rahmenbedingungen der Sozialisation des Marineoffizierkorps: die Einstellungsbedingungen, Ausbildungskosten,
Herkunft und schulische Vorbildung, die verschiedenen Ausbildungsgänge der Offiziere sowie Statusfragen. Hier arbeitet er die Konfliktpotentiale heraus, die negativen
Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Flotte hatten.
Der zweite Abschnitt widmet sich exemplarisch drei Konfliktbereichen im Detail: dem Problem der Vorpatentierung, der Auseinandersetzung um die Vorrangstellung der
Seeoffiziere gegenüber den Marineingenieuren und der Flottenchef-Frage von 1912.
In der Bewertung kommt Thomas Scheerer zu dem Schluss, dass eine Anpassung der Organisation an die Erfordernisse eines modernen Seekrieges nicht stattfand,
vielmehr an der vom Kaiser 1899 initiierten dezentralen Organisation bis 1918 festgehalten wurde. So stellt sich das Marinefiasko als ein Personal- und Organisationsfiasko dar:
Konflikte wurden im Verborgenen ausgetragen, im Krieg dann unterdrückt oder mit Rücksicht auf die angespannte Kriegslage ignoriert.
Mit seiner auf der Auswertung umfangreichen statistischen Materials basierenden Studie hat Thomas Scheerer nicht nur ein bisher wenig beachtetes Themengebiet der
deutschen Sozialgeschichtsschreibung an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert beleuchtet, sondern auch der sozialwissenschaftlichen Organisationsforschung eine breite
Datenbasis zur Verfügung gestellt.
Der Inhalt
1. Einleitung · 2. Sozialisation der Marineoffiziere [Einstellungsbedingungen; Kosten der Ausbildung für Seeoffiziere und Marine-Ingenieure etc.;
Wissenschaftliche Vorbildung; Ausbildungsgänge; Die Ausbildung im Kriege; Admiralstabsausbildung; Der Heiratskonsens; Personalinterna; Uniformen; Orden und
Ehrenzeichen; Sozialisation der Marineoffiziere; Resümee] · 3. Ausgewählte Konflikte [Konfliktverdrängung und Loyalität; Die Frage der
Vorpatentierung; Die Vorrangstellung der Seeoffiziere gegenüber den Marine-Ingenieuren in der Marinehierarchie; Die Flottenchef-Frage von 1912] · 4.
Schluss · 5. Quellen- und Literaturverzeichnis [Ungedruckte Quellen; Gedruckte Quellen; Literatur] · 6. Personenregister · 7.
Anlagen [Kosten der Ausbildung zum Seeoffizier vom Seekadetten bis zum Oberleutnant zu See; Einkommensübersicht vom Seekadetten bis zum Oberleutnant zur See
pro Monat; Kosten der Ausbildung vom Anwärter bis zum Marine-Ingenieur; Kosten der Laufbahn zum Torpedo-Ingenieur; Kosten der Ausbildung zum Marinezahlmeister;
Übersicht über alle Offizierkorps und Mannschaften von 1902-1918; Dienstgrade der Marineoffizierskorps; Seeoffizieranwärter: Einstellungszahlen und -quoten;
Herkunft des Marine-Ingenieurersatzes – Berufe der Väter der Jahrgänge 1904, 1905 und 1906; Durchschnittsalter der Abiturienten und Primaner beim Eintritt
in die Marine als Seeoffizieranwärter von 1900-1913; Ausbildungsgang zum Seeoffizier und Marine-Ingenieur; Seeoffizierprüfung, Lehrplan und Tageseinteilung;
Durchschnittsalter; Abgänge in der Seeoffizierausbildung von 1899-1913; Verteilung der Marine-Ingenieure nach Bord- und Landverwendungen von 1904-1906;
Beförderungsverhältnisse (Seeoffiziere und Marine-Ingenieure); Bildungsstand der erstmalig zur Marineakademie kommandierten Seeoffiziere (1. Coetus);
Auszüge aus Qualifikationsberichten über Kapitäne; Personalbogen und Veränderungsnachweise; Personalverluste und Abgänge; Die wichtigsten
Uniformänderungen von 1888-1917; Bezeichnung der Orden und Ehrenzeichen (Stand 1913) und Verleihungen]