Zu diesem Buch
Diskussionen über Bedeutung und Ausrichtung
der Landesgeschichte haben in Deutschland eine lange Tradition. In den letzten Jahren wurde besonderes Augenmerk auf das Verhältnis zur Regionalgeschichte gerichtet,
wie sie in Frankreich oder in England und den USA betrieben wird. Hinzu kam die Neuformierung der Landesgeschichte in den neuen Bundesländern. Die Entwicklung der
historiographischen Themenstellungen ist derweil nicht stehengeblieben, neue Anforderungen an die Landesgeschichte sind hinzugetreten. Um diese neuen Anforderungen geht
es in diesem Band. Die im Titel angesprochenen Konzepte "Historische Komparatistik" und "Kulturtransfer" sind Antworten auf die Herausforderungen, die die jüngere
Entwicklung Europas an die geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit Europa stellt. Sie stellen nicht die einzigen konzeptionellen und methodischen Antworten dar,
aber ihre elementare Bedeutung für die Überwindung einer ehemals unangemessen nationenzentrierten oder landespatriotischen Geschichtsschreibung liegt klar auf
der Hand.
Die europäische Perspektive
Die Landesgeschichte hat sich mit solchen Konzepten bisher eher vorsichtig auseinandergesetzt, ihre Umsetzung in die Forschungspraxis ist noch nicht sehr weit fortgeschritten,
eine institutionelle Stärkung der neuen Forschungsrichtungen wäre wünschenswert. Die vorliegende Studie stellt die beiden Konzepte einer historischen
Komparatistik und des Kulturtransfers im landes- bzw. regionalgeschichtlichen Kontext vor und zeigt, wie mit ihrer Hilfe die Landes- und Regionalgeschichte in die neue Dynamik
der Europahistoriographie einbezogen werden kann. Die Analysen verharren dabei keineswegs nur auf einem abstrakten Niveau, vielmehr wird ihre praktische Anwendung durch
je eine auf Archivquellen beruhende Fallstudie zur landes- bzw. regionalgeschichtlichen Komparatistik sowie zur landes- bzw. regionalgeschichtlichen Kulturtransferforschung
exemplifiziert. Am Schluss stehen Überlegungen zu eventuell notwendigen institutionellen Veränderungen, die nach Vorschlag des Autors in einem
"Europäischen Landes- und Regionalgeschichtlichen Institut" gebündelt werden könnten. Zugleich empfiehlt sich die Einrichtung eines
Förderschwerpunktes (Drittmittelförderung).
Sachsen als Beispiel
Die Ausführungen erheben den Anspruch, allgemein für die Landes- und Regionalgeschichte von Interesse zu sein. Dass die Sächsische Landesgeschichte
dabei besondere Berücksichtigung erfährt, hat sachliche Gründe, die mit der alten und neuen Stellung der Sächsischen Landesgeschichte in der
Deutschen Landesgeschichte sowie mit eigenen Forschungen des Verfassers über einen Vergleich Sachsens mit einer französischen Region (Burgund) [Historische
Komparatistik] einerseits und strukturelle Möglichkeiten von Kulturtransfer andererseits zusammenhängen. Dazu kommen weitere thematische Gründe.
Beispielsweise wurde das sogenannte Deutschlandbild, wie es im frühen 19. Jahrhundert in Frankreich oder den USA festzustellen ist, im Kern von einem bestimmten
Sachsenbild dominiert.
Der Inhalt
Kapitel 1: Landesgeschichte zwischen ,vaterländischer Geschichte’ und ,europäischer Regionalgeschichte‘ [1. Landesgeschichte und Politik; 2.
Landesgeschichte und Region; 3. Zum Typ der europäischen Region; 4. Landes- und Regionalgeschichte in europageschichtlicher Perspektive] · Kapitel 2: Die
Erneuerung der Landesgeschichte durch die europäische Perspektive I: Historische Komparatistik [1. Fallstudie; 2. Landesgeschichte/Regionalgeschichte und
Historische Komparatistik: Konsequenzen] · Kapitel 3: Die Erneuerung der Landesgeschichte durch die europäische Perspektive II: Kulturtransfer [1.
Fallstudie; 2. Das Konzept Kulturtransfer; 3. Landesgeschichte und das Konzept Kulturtransfer: das Beispiel Sachsen] · Kapitel 4: Schlußfolgerungen zu einer
europaorientierten Landesgeschichte · Verzeichnis der zitierten Literatur