Zu diesem Buch
Im Zeichen der Globalisierung
stellen sich Fragen nach der Genese urbaner, polyfunktionaler Zentren und deren Zukunftsfähigkeit mit größerer Eindringlichkeit und wachsender
Aktualität. Dies gilt besonders für die Hauptstädte in der Welt. Während bislang deren Genese hauptsächlich in engen nationalstaatlichen Grenzen
oder in kontinentalen Teilräumen diskutiert worden ist, bedarf es an der Schwelle zum 21. Jahrhundert eines öffentlich-gesellschaftlichen und interdisziplinären
wissenschaftlichen Diskurses im globalen Kontext. Dies liegt vor allem deshalb nahe, weil nur ein derartiger Diskurs zu einem möglichst großen Erkenntnisgewinn in
den jeweiligen wissenschaftlichen Einzeldisziplinen und einer angemessenen Problemlösungskompetenz bei den Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft, Religion
und Kultur führen kann.
Einem solchen Diskurs – über traditionelle Hauptstadtreflexionen weit hinausgehend – soll der vorliegende Band dienlich sein, indem aus der Perspektive
unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen und gesellschaftlicher Kompetenzbereiche ausgewählte Einzelsujets aus Afrika, Amerika, Asien, Australien und Europa
vorgestellt und diskutiert werden. Die globale Ausrichtung des Buches zeigt sich auch darin, dass Autorinnen und Autoren aus allen fünf Kontinenten dazu beigetragen
haben.
Zunächst wird die Genese von Kapitalen in Europa beispielhaft seit dem Mittelalter verfolgt und um die Analyse von außereuropäischen
Hauptstadtneugründungen im 20. Jahrhundert ergänzt. Dann richtet sich das Untersuchungsinteresse auf Hauptstädte neuen Typs, die im Verlauf der zweiten
Hälfte dieses Jahrhunderts entstanden sind und zentralörtliche Funktionen über nationalstaatliche Grenzen hinaus besitzen, insbesondere auf sogenannte
Global Cities. Der Wettbewerb zwischen konkurrierenden Städten – die Hauptstadtfunktion trägt bereits in sich die Frage nach einem Ranking –
verlagert sich mit fortschreitender Internationalisierung auf Weltebene.
Die Diskussion um die Bedeutung der Global Cities wird hier aus der allgemein vorherrschenden ökonomischen Verengung gelöst, indem politische, kulturelle und
religiös-symbolische Aspekte berücksichtigt und auch Architektur, Bildende Kunst und Literatur einbezogen werden.
Die Beiträge
1 Hauptstadtwerdung in historischer Perspektive
Derek Keene
London: metropolis and capital, A.D. 600-1530
Peter Alter
London in der Neuzeit
Andreas Sohn
Hauptstadtwerdung in Frankreich. Die mittelalterliche Genese von Paris (6.-15. Jahrhundert)
Andreas Wirsching
Paris in der Neuzeit (1500-2000)
Hans-Ulrich Thamer
Berlin als erste deutsche Hauptstadt?
2 Hauptstadtneugründungen im 20. Jahrhundert
Faruk Sen, Hayrettin Aydïn
Ankara: Ein Dorf wandelt sich zur Hauptstadt
Brian H. Fletcher
Canberra: A National Capital in the Making
Heinrich Pachner, Wilfried Kaiser
Neue Städte in Lateinamerika: Bundeshauptstadt Brasília und Regionalmetropole Ciudad Guayana. Analyse brasilianischer und venezolanischer Erfahrungen
Bolade Eyinla
From Lagos to Abuja. The Domestic Politics and International Implications of Relocating Nigeria's Capital City
3 Hauptstädte und Global Cities im Wettstreit?
Dirk Bronger
Metropolen im asiatisch-pazifischen Raum. Von Megastädten zu Global Cities?
Catherine Pouzoulet
New York City as Capital of the World? or The Contested Fortunes of the City of Capital
Jörg Stadelbauer
Moskau – postsozialistische Megastadt
Marcel von Donat
Europas dreigeteilte Hauptstadt. Der Wanderzirkus Brüssel – Luxemburg – Straßburg
4 Hauptstadtdiskussion vor religiös-symbolischem Hintergrund
Elmar Salmann
Geborgter Glanz. Rom zwischen Idee und Wirklichkeit
Michael Ingber
Jerusalem als Hauptstadt Israels. Seine Bedeutung aus jüdischer Sicht
Nazmi al-Jubeh
The Significance of Jerusalem. A Muslim Perspective
5 Spiegelungen von Hauptstädten und Global Cities in Literatur, Bildender Kunst und Architektur
Hermann Weber
Hauptstadt im Spiegel der Literatur: Erinnerung, Apokalypse, Utopie. Das Beispiel Mexico-City
Maria Constanza Linares López
Kunst im öffentlichen Raum in Berlin. Im Spannungsfeld zwischen der Suche nach Sockeln und einer historischen Durchlässigkeit
Volker Hassemer
Die Rolle von Stadtplanung und Architektur für das 'Neue Berlin'